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Aus der Gemeinde und Pfarre Kammern

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Der große Brand

Das Jahr 1874 brachte durch den Brand, der beinahe das gesamte Dorf Kammern zerstörte, großes Unheil. Es begann, was die Witterung betrifft, überhaupt ungewöhnlich. Die Temperaturen waren bis Mitte Februar frühlingshaft warm und erst dann setzte der Schneefall ein.

Am 28. März brach kurz nach Mitternacht bei der so genannten Gasteigerhube, diese lag gegenüber dem Kohlhuber (Kühberger), ein Brand aus. Die Ursache konnte, obwohl darüber gerichtliche Ermittlungen gepflogen wurden, nie geklärt werden. Einerseits beschuldigte man die Hubmaierin des Gasteiger, sorglos mit dem Feuer umgegangen zu sein, da sie bereits ein Jahr vorher mit der Glut einen Düngerhaufen entzündet hatte, andererseits vermutete man, dass ein abgewiesener Bettler oder Bittsteller aus Rache Feuer gelegt haben könnte.

Der Brand breitete sich rasend schnell über den gesamten Ort, der damals zum Großteil aus Holzhäusern bestand, aus. Die Löscharbeiten wurden durch mehrere Umstände beeinträchtigt. Kammern besaß noch keine Feuerwehr, und so war man auf einzelne Löschversuche mit mangelhafter Ausrüstung angewiesen. Erst als die Feuerwehren aus der Nachbarschaft, vorerst die aus Mautern, eintrafen, konnten diese südlich der Brandstätte in Stellung gehen (südlich des Schenker). Leider waren die Schlauchleitungen zu kurz, um an die Liesing zu gelangen. Der obere und untere Dorfbrunnen, bei der oberen Schmiede bzw. gegenüber dem Bäck gelegen, lagen mitten im Feuer. So war man darauf angewiesen, mit dem Wasser beim Hansbauern (später Gemeindehaus), das Auslangen zu finden.

Bei Tagesanbruch bot der gesamte Ort ein trostloses Bild. Die Zahl der in den Flammen umgekommenen Menschen war leider sehr groß. Zehn kamen unmittelbar beim Brand um, zwei starben an den Folgen der erlittenen Verletzungen. Sämtliche im Ortskern gelegenen Gebäude und Wirtschaftsgebäude waren den Flammen zum Opfer gefallen. Auch waren die gesamten Vorräte vernichtet worden. Einziger Lichtblick war, dass man bis auf wenige Ausnahmen die Tiere hatte retten können.

Weinge Tage nach dem ersten Feuer brannte am 31. März auch das nördlich der Kirche gelegene Hannsbauernhaus, in dem viele Spenden gelagert waren, nieder.

Durch viele Aufrufe, vor allem über den Bezirkshauptmann Kohlmeyer, trafen in den folgenden Tagen zahlreiche Spenden ein. Die Verteilung übernahm eine eigene Kommission. Sehr bald kam es jedoch zu Unstimmigkeiten, da sich fast jeder benachteiligt fühlte, weil der damalige Gemeindevorsteher mit Frau und Schwägerin die Verteilung vornahm. Der Bezirkshauptmann rief die Einwohner ob ihrer Habgier zur Ordnung.

Dank der vielen Spenden erhielten alle Abbrandler einen Entschädigungsbetrag, der etwa der halben Schadenshöhe entsprach.

Peter Rosegger verfasste in der Grazer Tegespost eine Hilfeaufruf für die Brandgeschädigten von Kammern:

Der Name Kammern, sonst nur von Passanten der Salzstraße und von Touristen beachtet, ist mit Flammenflügeln hinausgeflogen in das weite Land. Heute pilgern Leute in hellen Scharen nach der Trümmerstätte und alle behaupten, so etwas hätten sie noch nicht gesehen. Die Freitagnacht vom 27. März war eine stürmische Nacht. Wild flogen die Wolken am Mond vorüber und der Wind, der von den Rottenmanner Tauern niederströmte, rüttelte laut an den Dächern. Die Menschen schlafen in ihren wohlverwahrten Stuben und die Hausfrau träumt schon von dem Osterkuchen, den sie backen will. Der Landwirt sieht auf seinem Felde die zukünftige Saat grünen, da zuckt in jenem Häuschen dort ein Flämmchen hervor, züngelt weiter, hüpft hastig in die Holzwand hinein und in fünf Minuten flutet die Lohe zum Dach hinaus. Zum Dach hinaus, da fasst sie der Sturm und schleudert sie hin über die Giebel. Ein hundertfacher Jammerschrei! Schwere, rotqualmende Rauchmassen wüten hin, der lohende Feuerstrom rast über die Dächer zu den Fenstern hinein und zu den Fenstern hinaus und nach einer halben Stunde wogt das ganze Dorf in Gluten auf. Der Morgen findet die rauchende Trümmerstätte Kammerns. Wohl an hundert Gebäude mitsamt den Wirtschaftsobjekten, stattliche Höfe, dürftige Hütten sind in Schutt gestürzt. Hunderte von Menschen sind dach- und hablos und das ist das Erschütternde. Zwölf Personen, ja vielleicht mehr noch sind im Feuer umgekommen. Von den Bränden zu Unzmarkt, Admont, Neumarkt usw. kommt keiner diesem gleich. Er erinnert an die Katastrophe zu Wies, bei welcher eine ganze Wallfahrerschar verbrannte. Von den 14 bis 15 Vermißten sind bisher erst zwölf aus dem Schutt hervorgeholt worden. Drei Personen mit einem Kinde hatten sich, da draußen auf der Gasse schon der Feuerstrom brauste, in einen tiefen gewölbten Keller geflüchtet; mit in die Erde gepreßtem Angesicht, halb verkohlt, sind sie aufgefunden worden. Das Feuer hat nichts verschont. Mauern hat es zerrissen, eiserne Türen und Fensterbalken wie Pappendeckel umgebogen, in die festen Gewölbe ist es gedrungen. Selbst die Brunnentröge und Wasserröhren sind verkohlt; kein Splitterchen ist unversehrt geblieben. Im ganzen umfangreichen Dorfe weithin gegen die Wände des Reiting ist der Rasen verkohlt und der Wald verbrannt. In dem vom Brandplatz fast eine Stunde entfernten Seiz haben sie Wasser in Bereitschaft gehalten, um die heranfliegenden Feuerfetzen zu dämpfen. Eine solche Wut des Feuers ist noch nicht gesehen worden. Sie hätte in dieser Sturmnacht jeglichen Rettungsversuchen getrotzt. Nur ein paar abseits stehende Hütten, die vom Dorf weit abgelegene Kirche mit dem Pfarrhof, Schule und Gemeindehaus sind verschont geblieben. Der Notschrei ist gehört worden und bald füllte sich das Gemeindehaus mit Lebensmitteln für die Verunglückten, auch für das liebe Vieh, das wenige, welches gerettet werden konnte, wurde nicht vergessen. So fuhr am vierten Tage nach dem Brande ein vollgeschichteter Heuwagen heran. Fuhr durch die glimmenden Brandstätten dem Gemeindehause zu, wurde in der Scheune desselben abgeladen und kurz darauf stand diese Scheune, stand das Gemeindehaus mit den gesammelten Lebensmitteln in Flammen. Dieser zweite Brand drohte den Rest von Kammern vollends einzuäschern; die rasche Hilfe von Nachbarsorten rettete die Kirche, den Pfarrhof und das Schulhaus nur mit großer Mühe. Vom Gemeindehaus aber konnte gar nichts gewahrt werden. Die halbverkohlten Schriftstücke und Urkunden flattern noch heute zu Hunderten über die Wiesen dahin. Die Verunglückten waren nun neuerdings aller Mittel entblößt. Viele zogen zu den Nachbarschaften; mancher blieb sitzen auf seiner Trümmerstätte und starrte händeringend die nackten Mauern an. "Was ist da geschehen?" murmelte einer; er kann es nimmer fassen, er möchte irrsinnig werden. Ein anderer kauert auf dem Gemäuer und klagt in sich hinein: "Haben tue ich gar nichts!" Mancher rafft sich auf von seiner Stätte: "Da mag bauen, wer will, ich geh davon." Einen alten Mann, dem die weißen Locken versengt waren, sah ich sitzen auf einem Stein, er brummte leise vor sich hin: "Essen möcht eins auch was." Ich getrau mirs zu sagen: Bei diesen Worten sind mir die Tränen aus den Augen gestürzt; du armer, alter Mann, ihr unglücklichen Landgenossen, in eurem Namen flehen diese Zeilen noch einmal alle edelherzigen Menschen der Steiermark an um Trost und Hilfe. Die paar Häuschen, die noch stehen geblieben sind, sind überfüllt bis hinauf unter den Dachfirst. Der Gemeindearrest ist wohl stehen geblieben; darin wohnt jetzt der Gemeindevorstand. Das Schulhaus empfängt die Dachlosen mit offenen Armen. In der Kirche wäre ebenfalls Raum; den lieben Herrgott täte es gewiss freuen, hätten sie auch zu ihm ein Vertrauen. Wandeln wir von der Kirche über die frischen kühlen Gräber der Verbrannten in den Pfarrhof. Er ist voll von Weinenden und Klagenden und mitten unter diesen walten zwei brave Männer: Der eine ist der Pfarrer (P. Honorius Fruhmann), jedem väterlich ratend, helfend nach allen Kräften, ein ehrwürdiger Freund seiner Gemeinde. Der andere ist der Bezirkshauptmann, Herr Kolmeyer, ein Mann von Umsicht und Tatkraft, der jeden Tag auf dem Brandplatz ist, um zu leiten, zu ordnen und die eingelangten Spenden zu verteilen. Aber der Allerärmste und am meisten Hilfebedürftige kauert vielleicht in einem verlassenen Winkel und traut sich nicht zu bitten um ein Stückchen Brot, um ein wärmend Tuch, weint vielleicht der Augen letzte Träne einem geliebten Herzen nach, das in der heißen Not des Feuers war vergangen. Das Freudenfest der Ostern zieht klingend durch das Land; aber keiner von uns hat einen Schirmbrief gegen böse Tage; so wollen wir doch jeder den Unglücklichen durch eine kleine Gabe unseren Festgruß senden mit dem hoffnungsvollen freudigen Osterrufe: Auch Kammern wird aus seinem Schutte wieder erstehen!


Pfarrer Honorius Fruhmann und Bezirkshauptmann Kohlmeyer wurden zu Ehrenbürgern der Gemeinde Kammern ernannt. Im Grazer Schauspielhaus wurde eine Benefizaufführung zu Gunsten der Abbrandler von Kammern gegeben.

Zum Abschluss noch ein Zeitungsbericht des evangelischen Pfarrers von Wald, Heinrich Johann Kotschy:

Eine edle That muß ich erzählen, um zu zeigen, daß es noch Leute gibt, die Kopf und Herz am rechten Fleck haben. Seit einigen Jahren weilt in Kammern ein weit und breit geschätzter und bekannter junger Arzt namens Felber. Er war, wie dies oft der Fall, abends zu einer Patientin nach Trieben gefahren. Morgens um halb sechs Uhr fuhr er an der leergebrannten Stätte, seinem Wohnorte, vorüber, um in Seitz (in Kammern gab es damals noch keine Bahnstation), eine Viertelmeile unter Kammern, auszusteigen. Auch seine Wohnung war ein Raub der Flammen geworden: Hausapotheke, Instrumente, Bücher, Kleider, Einrichtung und die ganze, sauer erworbene Habe.

Ins Dorf eintretend, begegnete ihm ein Mann, selbst Hausbesitzer, selbst abgebrannt, Johann Gößnitzer mit Namen, und übergab ihm eine Kassette. Felber hatte ihm einmal gesagt: „Da im Kasten habe ich meine ersparten Gulden. Falls in meiner Abwesenheit einmal ein Unglück geschieht, sei so gut und denk an mich.“

Schon war in dem hölzernen Hause die Stiege abgebrannt und krachten die Balken. Gößnitzer ließ sich nicht abhalten, ergriff eine Leiter, schlug das Fenster ein, erbrach den Kasten, rettete die Kassette, brachte sie dem heimkehrenden Freunde entgegen und ließ sich nicht von letzterem bereden, mit ihm zu theilen.


Folgende Objekte wurden durch den Brand zerstört:

Gasteigerhube, Kohlhuber, Steiner, Fetzen, Nickel, Lackner, Kral, Ebner, Kargl, Weixler, Scheuchenstuhl, Schratzmaier, Hammer, Kronawetter, Nudler, Binder, Kreuzschmied, Obere Schmiede, Schuster, Steinrieser, Schwarz, Schrabacher, Etschmaier, Wieser, Maierl, Bäck, Schenker, Steinhäufler, Gößnitzer, Haller, Kofler, Ländler, Schauschek, Mießbrandner, Kropus, Gasteiger Herrenhaus, Hannsbauer.