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Aus der Gemeinde und Pfarre Kammern

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Aus dem Leben eines Dorfkindes in Kammern

(Erzählt von Margarete Aigner)

Mein Vater war Kaufmann. 1896 erwarb er das Haus Nr. 30 und das damit verbundene Gemischtwarengeschäft und die Gastwirt­schaft, welch letztere meine Eltern bald aufgaben.

1905 kauften sie das westlich gelegene Nachbarhaus mit dem Kaufgeschäft; im sogenannten „unteren Haus“ wurden nach bauli­chen Umgestaltungen Mietparteien untergebracht.

Diese von mir in Kammern erlebte Zeit vor dem ersten Weltkrieg war wirklich „die gute alte Zeit“, was Ruhe anbelangt; das Leben der unteren sozialen Schichten war karg und mühevoll, aber Fleiß, Ge­bügsamkeit und Zufriedenheit gaben den meisten Familien im Dorf eine gewisse Ruhe und Heimatgebundenheit.

An Sommertagen schwankten die schweren Erntewagen durchs Dorf ihrem Gehöfte zu; wie feierlich war es – möchte ich sagen – wenn zu Beginn der Kornernte der Steinrisser Schorsch (Georg), der große, schlanke Sohn des Bauern und Bürgermeisters, in langer blitz­sauberer Hose aus weißem, rupfenem Leinen die Ernte heimwärts führte.

Am Abend, wenn die Menschen auf der Hausbank saßen, die mü­den Hände in den Schoß legten, und die Turmschwalben laut segelnd die Luft durchschnitten, dann aber an ihrerstatt Fledermäuse dahin­flatterten; wenn im Salettl beim Gasthaus Zöhrer, wo die Sommer­frischler mit einigen Dorfbewohnern in gemütlichem Plausch vereint waren; wenn die Kerzen in den Windlichtlampen entzündet und die Kinder, die vorher im halben Dorf Räuber und Gendarm spielten, zur Bettruhe gerufen wurden: dann war Feierabend.

Die Ruhe und Stille im Dorf wurde kaum einmal etwa von einem Auto unterbrochen, wenn eines auf der Reichsstraße den Ort durch­fuhr. Besonders wenn ein dreistimmiger, melodischer Dreiklang das Nahen der schwarzen Limousine des Ritter von Gutmann ankündete, verließen wir Kinder eilig das Haus, um ja den Anblick eines Autos nicht zu versäumen. Dieser Ritter v. Gutmann war Millionär, hatte in Kalwang großen Besitz mit Wald, Jagd und sogar mit dem Kalvari­enberg erworben.

Gutmann hat sich meinem Erinnern besonders eingeprägt, denn ich wünschte immer, er möge einmal einen Autounfall haben, aber dergestalt, dass ich ihm hiebei irgendwie das Leben retten könnte. Und wenn er mich fragen würde, was ich mir als Lohn wünsche, wäre die Antwort gewesen: „Einen Esel!“ - Solch ein Tier zu haben, war damals meine heißeste Sehnsucht, ich hatte aber leider kein Glück mit dem Esel.

Noch eine kleine Episode. Vielleicht war es 1909 oder 1910, sa­ßen wir am hl. Abend beisammen, auf einmal, es mochte 10 Uhr oder ½ 11 Uhr abends gewesen sein, vernahmen wir von der Straße her einen ungewohnten Laut, dann noch einen und näher kommend wie­der einen, bis das Hupen eines Autos vor unserem Haus ertönte. Mein Vater ging hinaus und kam bald murrend zurück: Müssen's denn im Winter in der Nacht herumfahren, die Götzen! Mitten in der Nacht wollen sie ein Benzin. Sollen daheim bleiben!“

Da es damals in unserer Gemeinde noch kein elektrisches Licht gab, Benzinpumpen meines Wissens noch nicht erfunden worden waren, musste Vater das Benzin im Finstern aus dem Magazin holen und mittels eines Trichters in den Autotank einfüllen, und das alles im Finstern, da die nächste Straßenlampe (Petroleumlampe) „leider, Gott sei Dank!“ etwa 70 m von unserem Haus entfernt auf dem Bäckerbühel bescheidenes Licht ausstrahlte, aber zu schwach war, bis zu unserm Haus Helligkeit zu geben.

Schön war sie, die autolose Zeit, wie hätten wir ansonsten nach Herzenslust auf der Reichsstraße Reifen scheiben können. Nicht leichte Holzreifen schoben wir mit einem Staberl vor uns her, son­dern Eisenreifen, wie sie der Dorfschmied oder ein Bauer ausge­schieden hatte. Je nach Stärke dieses Wagenrades ging es hell oder etwas dumpfer „kling klang“ die Dorfstraße auf und ab.

Ein größeres Vergnügen jedoch war das Wagerlfahren, das genos­sen ich und meine Schester jedoch nur dann, wenn uns die Brü­der hiezu einluden. Dann ging es mit unserem vierrädrigen Geschäftswag­erl hinauf bis zur Johanneskapelle auf der Kammerer Höh. Wir Dirndln mussten natürlich bergauf fest anschieben, bergab saßen wir oben auf dem kleinen Tafelwagen, ein Bub schob beim Start einmal fest an, der andere saß vorne und dirigierte mit den Füßen die Deichselstange, währenddessen war der eine schon gewandt auf das Wagerl aufgesprungen. Und lustig rumpelten die mit Eisenreifen beschlagenen Räder die staubige Reichsstraße hinab, mit Schwung meisterte der Lenker die starke Kurve beim Kohlhuber, und wenn genug Tempo war, nahm unser Fuhrwerk auch noch den Bäckerbühel, so dass wir bei vulgo Schenker das Ziel hatten.

Wie hätten wir solche Fahrten machen können, wenn schon Autos die Straße belebt hätten! Aber auch die Begegnung mit einem Pfer­defuhrwerk war selten, so still war's damals!


Und doch gab es auch ab und zu Aufregung im Dorf Kammern, wie z. B. damals, als es zum Umschneiden des Maibaumes auf dem Bäckerbühel kommen sollte,

Da sei aber folgendes vorausgeschickt: Gleich unterhalb des Bü­hels steht ein Häuserl und es stand auch damals und gehörte dem Schustermeister Johann Schuster, dieser wurde daher kurz „der Schuster – Schuster“ genannt, und hatte eine Italienerin zur Frau. Als 1908 die Stadt Messina von einem Erdbeben zerstört worden war, flüchtete die Schwester von des Schuster – Schusters Frau nach kam­mern, und als nach ein paar Jahren die Ehefrau des Schus­termeisters starb, ehelichte er die aus Messina geflüchtete Schwä­gerin.

Als nun dieselbe vom geplanten Maibaumumschneiden erfuhr, ge­riet sie in Panik und rief: „Wenn sie auf mein Häusi fallt, muss sie zahlen!“ Es fiel jedoch nicht auf das Häusi und dem Kammern blieb ein Rechtsstreit erspart.

Zu meiner Kinderzeit hatte Kammern in der person des N. Rühr einen Nachtwächter und Gemeindediener. Er hatte bei Einbruch der Dämmerung für die Straßenbeleuchtung zu sorgen und zwar musste er die Petroleumlampen, je eine auf dem Bäckenbühel und in der Nähe des Feuerwehrdepots anzünden. Natürlich oblag ihm auch, die Zylinder dieser Lampen zu putzen. Wenn es allmählich finster wur­de, ging der Rühr, eine Leiter geschultert, von Lampe zu Lampe.

Wenn die Finsternis vollends hereingebrochen war, trat unser „Rühr“ in der Rolle des Nachtwächters auf. Um 10 Uhr begann er die Runde. Jede volle Stunde hatte er auszurufen: „Es hat ......(zehni, ....) g'schlagn“

Ich selbst habe ihn nie gehört, wohl aber sah ich ihn einmal, als wir, meine Eltern und ich, mit dem Zehnuhrzug von Liezen heim- und in die Nähe unseres Hauses kamen, da sah ich gegen das schwa­che Mondlicht die Silhouette: ein Mann mit Hut, Havelok, eine Hel­lebarde.

Wenn aber an schwülen Sommertagen Gewitterwolken drohend aufstiegen, machte sich „der Rühr“ auf den Weg nach dem Schieß­hüttl, und wenn es da war, das Gewitter, folgte Schuss auf Schuss, so dass es nur so hinaufblitzte gegen die Wolken.

Nach Abzug des Gewitters spannte sich ein Regenbogen über Wolfgruben bis hinüber zu Sparsbach; damals galt auch noch, was wir in der Schule lernten: „Nach dem Gewitter ist der Himmel wie­der schön blau und alle Menschen freuen sich!“