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Eine Gämsenjagd auf dem Reiting

Zwischen Mautern und Kammern erhebt sich auf der Nordseite des Liesingtales der gewaltige Gebirgsstock des Reitings, der mit seinem Felsenhaupt, dem Gößeck, eine Höhe von 2.215 m erreicht. Das Gößeck wird gewöhnlich von Mautern oder Kammern oder auch von Trofaiach aus bestiegen, wozu man fünf bis sechs Stunden braucht. Der Reiting ist mit seinen tiefen Schluchten, weiten Karen und zerrissenen Felswänden seit jeher ein gemsenreiches Gebiet, in dem früher wiederholt große Treibjagden auf dieses scheue Wild veranstaltet wurden. So war es auch im Jahre 1728.

Kaiser Karl VI. weilte mit seiner Gemahlin, seiner Tochter Maria Theresia und mit seinem ganzen Hof in Graz, wo am 6. Juli 1728 die feierliche Erbhuldigung der steirischen Stände stattfand. Im Anschluss an diesen Staatsakt wurde dann auf Einladung des Grafen Breuner, des Schlossherrn von Ehrnau, auf dem Reiting eine große Gämsjagd durchgeführt.

Schon tagelang vorher wurden die Gämsen des ganzen Reitingstockes von gräflichen Jägern, Knechten und Bauern auf die Ostseite des Berges getrieben, wo schließlich viele hunderte Stück dieses herrlichen Wildes in ganzen Rudeln beisammenstanden. Dieser weite Felskessel auf der Ostseite des Reitings heißt seither das "Kaisertal". Alle Übergänge, Scharten und Wechsel dieses Gebietes wurden von Treibern besetzt oder mit bunten Lappen und weißen Leinentüchern verblendet, damit nur ja keine Gämse entkommen konnte. Die Ausgänge des Kessels ins Tal hinab sperrte man mit Zäunen, Verhauen und anderen Vorrichtungen, sodass die Gämsen fast von allen Seiten abgeriegelt waren. Für die hohen Gäste, besonders für den Kaiser, die Kaiserin und den Prinzen Franz von Lothringen wurden gut vorbereitete Stände mit Zelten hergerichtet, zu denen bequeme Steige führten. Diese Stände waren so angelegt, dass die Gämsen fast zwangsmäßig dort vorbeikommen mussten.

Zeitig früh am vorbestimmten Jagdtag zog das Herrscherpaar mit seinem ganzen Gefolge von Damen und Herren durch Mautern und weiterhin durch den Wald und auf bequemen Steigen zu den Schießständen. Die Sonne stand schon ziemlich hoch am Himmel, als ein Hebschuss den Beginn des Treibens ankündigte. Hussa! Ho! Horrido! Mit wüstem Geschrei und Gepolter rückten die zahlreichen Treiber vor und trieben die verschreckten Gämsen zu den Ständen der hohen Herrschaften. Bald krachte ein Schuss, vom Kaiser abgegeben, und eine starke Gämse stürzte, tödlich getroffen, in die nahe Schlucht. Gleich darauf knallten weitere Schüsse von den übrigen Ständen, und eine Gämse nach der anderen fiel dieser mörderischen Schießerei zum Opfer. Die Büchsenspanner der hohen Herrschaften hatten kaum Zeit, die abgeschossenen Gewehre neu zu laden, weil die „Jäger“ gar so hitzig knallten. Manche Gämse, nur verwundet, musste nachher von den gräflichen Jägern erst vollends getötet werden.

Als das Treiben nach Stunden endlich aufhörte, sammelten die Jäger, Treiber und Bauern das gefallene Wild in den Schluchten, Runsen und Felsbändern. Der Kaiser hatte 36, die Kaiserin 24 und Franz von Lothringen, der spätere Gemahl Maria Theresias, 15 Gämsen erlegt. Selbstverständlich hatten auch andere Mitglieder des kaiserlichen Gefolges Gämsen geschossen, sodass die Gesamtstrecke dieses Jagdtages gewiss weit über hundert Gämsen ergab.

So wurde vor zweihundert Jahren, wenn große Gesellschaftsjagden abgehalten wurden, edles Wild in Massen hingeschlachtet. Je mehr Stücke der einzelne Jagdgast zur Strecke brachte, desto größer war seine Freude. (!)

1748 und auch 1765 fanden im Reitinggebiet neuerlich große Hofjagden statt, an denen auch die Kaiserin Maria Theresia teilnahm.