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Der Engel des Paltentales

Im Städtchen Rottenmann lebte einst eine überaus brave und wohltätige Jungfrau namens Agnes. Wo sie nur konnte, half sie ihren Mitmenschen, beschenkte die Armen, pflegte die Kranken und betreute verlassene und vernachlässigte Kinder, sodass sie überall als Engel des Paltentales bekannt und beliebt war.

Das Ansehen, das Agnes genoss, erregte den Neid böser Menschen, die sie eines Tages gefangen nahmen und in einer hoch gelegenen Stube der unbewohnten Burg Strechau einsperrten. Hier vergoss die Jungfrau oft bittere Tränen um die verlorene Freiheit und über die Schlechtigkeit ihrer Feinde, denen sie ja nie etwas zu Leide getan hatte. Als sie nach längerer Haft endlich befreit wurde, ließ sie sich im Frauenkloster zu Göß einkleiden und blieb eine fromme und wohltätige Nonne bis an ihr Lebensende.

Zur gleichen Zeit, es soll dies zu Anfang des 17. Jahrhunderts gewesen sein, hauste in einer kleinen Keusche am Fuße der Burg Strechau eine arme Witwe mit ihren vier Kindern. Der Vater, ein Holzfäller, verunglückte durch einen umstürzenden Baum tödlich im Holzschlag. Die geplagte Mutter konnte nun oft nicht genug Brot herbeischaffen, um den ständigen Hunger ihrer Kinder zu stillen. In ihrer Verzweiflung flehte sie häufig nächtelang zum Himmel um Hilfe. Als sie wieder einmal in einer lauen Sommernacht am Fenster stand und sorgenvoll betete, bemerkte sie im höchstgelegenen Fenster der Burg Strechau einen überaus hellen Schein. In der nächsten und auch darauf folgenden Nacht, als sie wieder betend am Fenster stand, war der Glanz noch viel heller und leuchtete weit ins Paltental hinaus. Nun beschloss die Frau, am Morgen, zeitig in der Früh, wenn die Kinder noch schliefen, in die Burg zu gehen, um die Ursache des überirdischen Glanzes zu ergründen.

Als sie zum Burgtor kam, sah sie dort ein wunderschönes blondes Mädchen, das die Witwe freundlich begrüßte und sie in das höchste, strahlend schöne Gemach führte. Geblendet von dem Glanz musste sie ihre Augen mit den Händen beschatten und blieb überrascht stehen. Erst nach einer Weile ließ sie schüchtern die Hände sinken und sah auf einem goldenen Thronsessel eine weiß gekleidete Frau sitzen, deren Gesicht ein feiner, silberner Schleier verdeckte. Rund um diesen Thron standen zwölf wunderschöne, ebenfalls weiß gekleidete Jungfrauen, und auf dem Boden lagen zahlreiche glitzernde Edelsteine und silberglänzende Perlen. Die zwölf Jungfrauen sammelten einen Teil der Edelsteine, vereinigten sie zu einer prachtvollen Krone, die sie der auf dem Throne sitzenden Gestalt aufs Haupt setzten und dabei den Schleier entfernten. Die holde Erscheinung auf dem Throne war noch viel schöner als die übrigen Jungfrauen. Plötzlich stand sie auf und sprach zur Witwe: „Schau, dort auf dem Boden liegen noch viele Edelsteine und Perlen! Heb sie auf und nimm mit, so viel du willst, damit deine Not ein Ende hat!“ Weil sich aber die arme Frau vor Entzücken nicht von der Stelle rührte, sammelten die Jungfrauen Edelsteine und Perlen und reichten sie der Witwe.

Plötzlich wurde der Saal immer größer und noch heller, sodass die Frau wieder die Augen schließen musste. Als sie dann aufschaute, war von der ganzen Herrlichkeit nichts mehr zu sehen, nur das blonde Mädchen stand an ihrer Seite und führte sie zum Burgtor. Dort sprach es: „Die schöne Jungfrau mit der Edelsteinkrone war Agnes, der Engel des Paltentales. Vor drei Tagen ist sie im Kloster Göß sanft verschieden. Die Edelsteine und Perlen sind die Tränen, die sie hier während ihrer Gefangenschaft vergossen und dem himmlischen Vater geopfert hatte.“ Mit diesen Worten verschwand das Mädchen.

Die Witwe ging beglückt mit ihrem Schatz zu einem Goldschmied, verkaufte einige Edelsteine und Perlen und bekam dafür so viel Geld, dass sie von nun an mit ihren Kindern glücklich und sorglos leben konnte. Aus den restlichen Steinen ließ sie ein prachtvolles Kreuzlein machen, das die Leute das „Tränenkreuzlein“ nannten.